Verkehrte Welt im Vorstellungsgespräch: Wenn dem Arbeitgeber auf den Zahn gefühlt wird…

Wer die gängigen Suchmaschinen bemüht, um sich für ein nahendes Vorstellungsgespräch fit zu machen, der wird auf unzählige Tipps und Tricks für das richtige Verhalten im Vorstellungsgespräch stoßen. Wie verpacke ich meine Schwächen als besondere Stärken, erkläre Lücken im Lebenslauf und rücke mich ins bestmögliche Licht… Kurzum: Wie stelle ich mich als perfekter Bewerber für die jeweils ausgeschriebene Stelle dar?

Die Frage ist nur: Macht das Sinn? Und: Entspricht dieses Verhalten eigentlich noch der aktuellen Situation auf dem Job-Markt.

Ich würde sagen nein – und zwar zu beidem!

Denn Vorstellungsgespräche gelten aus meiner Sicht schon lange als Kennenlern-Chance für beide Seiten – den jobsuchenden Bewerber ebenso, wie  das Unternehmen auf Ausschau nach geeigneten Mitarbeitern.

Vorstellungsgespräche als Imagefaktor fürs Unternehmen

Gerade in Branchen, wo der Fachkräftemangel bereits zugeschlagen hat oder auf dem Vormarsch ist, können Personaler oder Geschäftsführer schon lange nicht mehr aus dem berühmten Stapel an Bewerbungsmappen wählen, sondern „müssen“ nur allzu oft sämtliche möglichen Bewerber einladen. Zu hoffen bleibt dann nicht nur, dass ein geeigneter Kandidat dabei ist, sondern vor allem auch, dass dieser Kandidat im Gespräch auch vom Unternehmen und der jeweiligen Stelle überzeugt werden kann.

Umwerben, begeistern und locken, statt ausfragen und skeptisch beäugen heißt da die Devise!!

Doch das muss aus meiner Sicht kein Nachteil sein.

Vielmehr bietet es die Chance, klassische Muster von Bewerbungsverfahren sukzessive in Frage zu stellen und Aufzubrechen. Warum nicht bei einem Rundgang durchs Unternehmen zwanglos plaudern, statt sich in Verhör-Manier starr gegenüber zu sitzen?

Ich denke: Die neue Situation kann ein durchaus willkommener Ansporn für viele Unternehmen sein, sich im Vorstellungsgespräch attraktiver und authentischer zu präsentieren.

Selbstbewusste Bewerber

Gerade deshalb möchte ich Bewerberinnen und Bewerber auf der Suche nach dem passenden Job ermutigen, beim Vorstellungsgespräch die Rosa-Rote-Brille Zuhause zu lassen und selbstbewusst aufzutreten.

Klar: Es wäre toll, den Job zu bekommen. Und für das eigene Ego ist jede Zusage natürlich die schönste Streicheleinheit. Dennoch sollte dieses kurzzeitige Hochgefühl nicht über die Kernfrage hinwegtäuschen, ob man sich wirklich vorstellen kann, in diesem Unternehmen langfristig jeden Tag zu arbeiten.

Denn was im Vorstellungsgespräch nur mit Schauspielerischen Höchstleistungen funktioniert, dass wird im Alltag wohl kaum wirklich zusammenpassen. Oder was meinen Sie?

Außerdem gibt es gar keinen Grund sich zu verstellen. Schließlich werden Bewerber wegen ihrer Fähigkeiten und Talente eingeladen. Diese sind quasi das Angebot, um dass sich das Unternehmen bewerben muss.  

Praktischer Nebeneffekt: Sich seiner eigenen Position innerhalb eines Vorstellungsgespräches bewusst zu werden, senkt häufig auch die Nervosität. Schließlich stehen ja beide Seiten auf dem Prüfstand.

Deshalb: Stellen Sie kritische Fragen und klären Sie schon im Vorfeld ab, was Ihnen im Berufsalltag wichtig ist.

Ich bin überzeugt:

Es gibt weder perfekte Bewerber, noch perfekte Stellen, aber es gibt Bewerber und Stellen, die perfekt zusammenpassen!

Und noch ein Tipp für alle, die gerade auf der Suche nach einer neuen beruflichen Heimat sind:

Schon das Warten im Flur, die Anmeldung am Empfang, Ihr Weg entlang der Büros oder die Gesichter entgegenkommender Mitarbeiter können Bände sprechen. Also konzentrieren Sie sich nicht nur auf die halbe Stunde, die Sie den Personalchefs und Abteilungsleiterinnen gegenüber sitzen, sondern lassen Sie während Ihres gesamten Besuchs Ihre Sinne schweifen und nehmen Sie die Stimmungen Ihres Umfeldes sensibel auf.

Besonders Kleinigkeiten verraten so einiges: Wird Ihnen zur Begrüßung die Hand gereicht? Sitzen Sie wie einem Tribunal 3 – 5 skeptischen Gesichtern gegenüber oder wurde die Situation durch einen Rundtisch oder die Anordnung über Eck aufgelockert? Ein Glas Wasser sollte selbstverständlich sein, aber auch Kaffee wäre schön und Kekse sind eindeutig als Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem Gespräch zu verstehen.

Das kann – um zum Schluss zu kommen – übrigens  auch für Arbeitgeber, die vielleicht nicht mit horrenden Gehältern und Dienstwagen punkten können, aber sich durch eine tolle Unternehmenskultur auszeichnen und ihre Mitarbeitenden wertschätzen, durchaus von Vorteil sein.

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